Fachlicher Input
Der Begriff Hikikomori (etymologisch abgeleitet von den Verben hiki "sich zurückziehen" und komori "sich zurückziehen") wurde Ende der 1990er Jahre von Tamaki Saito geprägt. Der japanische Psychiater versuchte in seinem Buch "Adolescence Without End" (2013) auf ein zunehmendes Phänomen des sozialen Rückzugs aufmerksam zu machen, das sich nicht durch bestehende psychiatrische Störungen erklären liess. Heute wird davon ausgegangen, dass Hikikomori im Zusammenhang mit verschiedenen psychischen Störungen auftreten kann (primär Angststörungen, soziale Phobie, Autismus-Spektrum, Traumafolgestörungen).
Die in der neueren Literatur am häufigsten verwendeten Diagnosekriterien für HS sind nach Kato und Kollegen (2020):
a) Ausgeprägte soziale Isolation in der eigenen Wohnung
b) Dauer der ununterbrochenen sozialen Isolation von mindestens sechs Monaten
c) Erhebliche funktionelle Beeinträchtigung oder Leiden im Zusammenhang mit der sozialen Isolation.
Früher wurde angenommen, dass das Hikikomori-Syndrom nur Menschen in Japan betrifft. In der Zwischenzeit haben verschiedene Studien gezeigt, dass dieses Syndrom weltweit auftritt. HS korreliert mit Suizidalität, Angststörungen, zwanghaftem Verhalten und abhängigem Verhalten (Internetsucht, Gaming-Sucht).
Wakuta, M., Nishimura, T., Osuka, Y., Tsukui, N., Takahashi, M., Adachi, M., ... & Katayama, T. (2023). Adverse Childhood Experiences: Impacts on Adult Mental Health and Social Withdrawal. Frontiers in Public Health, 11, 1277766. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpubh.2023.1277766/full
Zu den Ursachen des HS gibt es verschiedene Thesen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Mobbing- und Misshandlungserfahrungen durch Mitschüler:innen und Lehrkräfte das Risiko für psychische Probleme allgemein und für Hikikomori speziell erhöhen.
Tolomei, G., Masi, G., Milone, A., Fantozzi, P., Viglione, V., Narzisi, A., & Berloffa, S. (2023). Hikikomori (severe social withdrawal) in Italian adolescents: clinical features and follow-up. Children, 10(10), 1669. https://doi.org/10.3390/children10101669